Die Ordensgemeinschaft der Waldbreitbacher Franziskanerinnen wurde am 13. März 1863 gegründet. Die Gemeinschaft wuchs derart schnell, dass nach nur fünfzehn Jahren bereits mehr als 100 Schwestern in 22 Niederlassungen arbeiteten. Und immer wieder erreichten die Schwestern neue Anfragen von Städten und Gemeinden mit der Bitte, sich um die Kinder, Kranken und Alten zu kümmern.
Deswegen bemühte sich die Gemeinschaft schon früh um die „Erlangung von Korporationsrechten“, wie es 1891 in einem Schreiben der damaligen Generaloberin an den preußischen Kultusminister in Berlin hieß. Erst 1903 erhielt die Gemeinschaft den gewünschten Bescheid, die Marienhaus GmbH wurde gegründet. Ihr Zweck ist die „Errichtung und Verwaltung von Kranken- und sonstigen Wohltätigkeitsanstalten und Nutzbarmachung der derselben zugehörigen Immobilien, um diesen Zweck erreichen zu können”, so steht es im Gesellschaftsvertrag, der am 19. Januar 1903 unterzeichnet wurde. Dieser Aufgabe weiß sich die Marienhaus-Gruppe bis auf den heutigen Tag verpflichtet.
Mit der Überführung ihrer Einrichtungen in die Marienhaus Stiftung haben die Waldbreitbacher Franziskanerinnen im Jahre 2011 die Weichen für die Zukunft ihrer Werke neu gestellt und gleichzeitig dafür Sorge getragen, dass das Unternehmen sein unverwechselbares christliches Profil behält.
Ein Portrait über Margaretha Flesch – Mutter Rosa
Als sie am 25. März 1906 morgens um 9.30 Uhr friedlich einschläft und für immer die Augen schließt, da ereignet sich Unerwartetes: Die Nachricht vom Tode Mutter Rosas verbreitet sich wie ein Lauffeuer in Waldbreitbach und im Wiedtal. Zu ihrem Begräbnis strömen die Menschen aus allen Himmelsrichtungen herbei – sie wollen ihre tiefe Dankbarkeit und innere Verbundenheit mit Mutter Rosa zum Ausdruck bringen und dieser einfachen, klugen, besonnenen und tiefgläubigen Frau, die in ihrem Leben so viel Segensreiches gewirkt hat, die letzte Ehre erweisen. Unerwartet ist diese Reaktion deshalb, weil Mutter Rosa die letzten 28 Jahre ihres Lebens in äußerer Isolation und innerer Einsamkeit gelebt hat; denn die neue Ordensleitung hatte die Gründerin der Gemeinschaft an den Rand gedrängt und gezielt totzuschweigen versucht. Die Menschen aber haben Mutter Rosa nicht vergessen.
Blenden wir zurück. Am 24. Februar 1826 erblickt Margaretha Flesch, wie die Stifterin mit bürgerlichem Namen hieß, in Schönstatt/Vallendar das Licht der Welt. Sie ist die älteste Tochter eines mittellosen Ölmüllers. Als sie sechs Jahre alt ist, stirbt ihre Mutter, zehn Jahre später der Vater. Da lebt die Familie aber schon in der Keltermühle im Fockenbachtal bei Niederbreitbach im Wiedtal. Jetzt muss Margaretha für ihren Unterhalt und den ihrer sechs jüngeren Geschwister sorgen. Armut und Not sind ständige Gäste im Haus der Familie Flesch.
Ihre Berufung, schlicht und einfach unter den Menschen zu leben, erfährt Margaretha Flesch bereits im Alter von acht Jahren. Menschen in Krankheit, Armut und Not vorbehaltlos zu helfen, dem verschreibt sie sich aus ihrer christlichen Verantwortung heraus schon als junge Frau. Weil sie rasch erkennt, dass effektive Hilfe nur im Miteinander möglich ist, ist die Gründung einer Gemeinschaft ihr Ziel. Bis sie dieses Ziel erreicht, vergehen noch viele Jahre und sie muss auf diesem Weg unzählige Steine aus dem Weg räumen.
Im Herbst 1851 zieht Margaretha mit ihrer epilepsiekranken Schwester Marianne in eine der leerstehenden, ärmlichen Klausen in der Kreuzkapelle nahe Waldbreitbach. Von hier aus betreut sie die Armen und Kranken der Gemeinde. Zusätzlich nimmt sie Waisenkinder bei sich auf. Ihren Lebensunterhalt bestreitet sie als Tagelöhnerin, mit Handarbeiten und Unterricht, den sie an den Schulen der Umgebung in Handarbeit und sparsamer Haushaltsführung erteilt.
1856 gesellen sich die ersten gleichgesinnten Frauen zu Margaretha. 1861 endlich können sie mit dem Bau eines ersten Hauses auf dem Waldbreitbacher Kapellenberg beginnen. Am 11. November 1861 ist das erste Marienhaus bezugsfertig.
Margaretha ist 37 Jahre alt, als sie am 13. März 1863 zusammen mit zwei Gefährtinnen die ersten Gelübde ablegt. Sie nimmt den Namen Schwester Maria Rosa an und wird die erste Generaloberin. Die Gemeinschaft der Waldbreitbacher Franziskanerinnen entwickelt sich in den ersten Jahren ihres Bestehens mit großer Dynamik. Die Zahl der Schwestern wächst rasch. Die erste Filiale entsteht bereits wenige Wochen nach der Gründung in Adenau, weitere folgen. 1878, als die Amtszeit von Mutter Rosa als Generaloberin endet, sind in 22 Filialen bereits über 100 Schwestern tätig. – So wächst aus dem Nichts im Vertrauen auf Gott ein beachtliches Werk: Margaretha, die keine besondere Schulbildung erfahren hat und auch ohne geregelte Einkünfte auskommen muss, legt den Grundstein für eines der heute großen Unternehmen im Gesundheits- und Sozialbereich: die Marienhaus GmbH Waldbreitbach.
Dann geschieht das Unfassbare: Als sie 1878 nicht mehr wiedergewählt werden kann, reißen andere im Orden die Führung an sich. Mutter Rosa wird ausgegrenzt, ihr Andenken systematisch aus dem Gedächtnis der Gemeinschaft getilgt. Mit Manipulation und Wahlfälschung verhindern der geistliche Rektor der Gemeinschaft und die neue Generaloberin auch 1881 ihre Wiederwahl.
Mutter Rosa wird von der neuen Ordensleitung in abgelegene Filialen versetzt, lebt von 1885 bis zu ihrem Tode am 25. März 1906 still und unerkannt im St. Marienhaus. Viele junge Schwestern wissen nicht, dass sich hinter der alten Gartenschwester die Ordensgründerin verbirgt. Es dauert Jahrzehnte, bis sich die Gemeinschaft ihrer erinnert und ihrer Gründerin die Anerkennung und Wertschätzung zukommen lässt, die dieser einfachen, klugen und besonnenen Frau gebührt, die um ihre eigene Person nie Aufhebens gemacht hat.
Literarisch haben in den letzten Jahrzehnten vier Autorinnen und Autoren Leben und Werk Mutter Rosas aufgearbeitet – der Franziskaner Friedrich Albert Groeteken; Jakob Adam Backes, lange Jahre Rektor der Gemeinschaft; die Benediktinerin Maura Boeckeler und im Jahre 2005 der Theologe und Journalist Hans-Joachim Kracht. In seiner Biografie Leidenschaft für die Menschen, Margaretha Rosa Flesch – Leben und Wirken schildert Kracht Mutter Rosa als standfest und flexibel, beharrlich und zielstrebig, als eine überzeugende Persönlichkeit, zupackend und geschickt im Einsatz für Gott und die Menschen. Eine Frau, die selbst in bitteren Zeiten ihrer Gemeinschaft treu bleibt. Sie gibt ihr Leiden gleichsam hin für das segensreiche Gedeihen ihrer Gemeinschaft und sieht das Leid und die Erniedrigung in diesen Jahren als „Pflastersteine auf dem Weg zum Himmel“.
Mutter Rosa – sie war eine große Beterin, eine begabte Unternehmerin und vor allem eine liebende und demütige Frau, die auch und gerade im Leiden gereift ist. – Mit ihrer Seligsprechung erkennt die Kirche an, dass Mutter Rosa vorbildlich aus dem Glauben gelebt und Christus in besonderer Weise nachgefolgt ist.